Geschichte(n) am Grünen Band Station 04 Die ehemalige Grenzinformationsstelle Breitensee

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Geschichte(n) am Grünen Band Station 04 
Die ehemalige Grenzinformationsstelle Breitensee

Grenztourismus und Bildungsarbeit im Schatten des Todesstreifens

Besucherdelegationen, Schulklassen, Touristengruppen und Wandergesellschaften pilgerten nach dem Bau der Mauer 1961 an die innerdeutsche Grenze, um diesen geopolitischen Brennpunkt mit eigenen Augen zu sehen. Denn immerhin teilte die Mauer nicht nur Deutschland, sondern mehr oder weniger die gesamte Welt, in Ost und West. So entwickelte sich nach 1961 ein regelrechter (bundesdeutscher) Grenztourismus, der sich zu einem nicht zu vernachlässigenden Wirtschaftsfaktor für die strukturschwachen Regionen im Zonenrandgebiet entwickelte. 

Zwischen 1966 und 1989 entstanden daraufhin von Lübeck nahe der Ostsee bis Hof in Oberfranken entlang der gesamten Grenze auch sogenannte „Grenzinformationsstellen“. Als Leiter, in der Regel Ehrenamtliche, fungierten oftmals pensionierte und aktive Bürgermeister, Lehrer sowie Regional- oder Lokalpolitiker. Angehörige des BGS, der BGP und des GZD führten häufig Einweisungen an der innerdeutschen Grenz durch.

Und genau hier, im kleinen Breitensee, nur etwa 500 Meter von der damaligen innerdeutschen Grenze entfernt, weihte am 18. Juni 1966 der Landrat des Landkreises Königshofen im Grabfeld feierlich die erste dieser Grenzinformationsstelle der Bundesrepublik Deutschland in der alten Schule neben der Kirche ein.

 

Die Grenzinformationsstelle Breitensee war die erste ihrer Art in der Bundesrepublik und wurde am 18. Juni 1966 eingeweiht. Quelle: BArch, MfS, HAXXII, Nr. 108, Bd. 4, Bl. 223 © Stasi Unterlagen-Archiv 

 

Koordiniert wurde die Arbeit der Grenzinformationsstellen sogar über das “Gesamtdeutsche Institut – Bundesanstalt für gesamtdeutsche Aufgaben”.  Deren in Bonn und Westberlin ansässigen Dienststellen stellten Druckerzeugnisse, Filme, Tonträger und Referenten im Rahmen der deutschlandpolitischen Bildungsarbeit zur Verfügung. Es prüfte auch den Aufbau neuer Grenzinformationsstellen und sorgte für deren touristische Erschließung. Dazu gehörte es, Straßen und Wege anzulegen sowie Hinweisschilder und Aussichtsplattformen aufzustellen.

Im Blickwinkel der Stasi

Selbstverständlich blieb das Geschehen an der Grenze auf Seiten der Grenzbeamten der DDR nicht lange ungesehen und erregte schnell die Aufmerksamkeit des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Denn neben „harmlosen“ Schaulustigen kam es im Rahmen der Einweisungen immer wieder auch zu Zwischenfällen: Die MfS-Kreisdienststelle (KD) Hildburghausen listete einige für die erste Hälfte der 1980er Jahre auf: Zerstörung von Grenzmarkierungen, Diebstahl von DDR-Hoheitsabzeichen, Grenzüberschreitungen, bei denen Bundesbürger und auch Bundespolitiker (bewusst oder unbewusst) DDR-Territorium betraten oder direkte Aufforderungen der Grenzsoldaten zur Fahnenflucht. Ein weiteres Ärgernis für das MfS waren darüber hinaus Ballonaktionen. Hierbei ließen Bundesbürger Luftballons mit politischen Grußbotschaften in Grenznähe steigen. Diese flogen, vom Westwind getragen in die DDR, wo sie unkontrolliert niedergingen.

Am 17. Juni 1978 erinnerte der CDU-Landesverband Hessen auf dem Siechenberg bei Philippsthal an den Volksaufstand von 1953 in der DDR. Während einer Grenzeinweisung an der Werrabrücke trat Alfred Dregger, zu diesem Zeitpunkt Mitglied im Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, etwa einen Meter in das DDR-Territorium hinein. Quelle: BArch, MfS, BV Suhl, Abt.VII, Nr. 5365, Bl. 55 © Stasi Unterlagen-Archiv

 

Doch nicht nur deswegen waren die Grenzinformationsstellen den Machthabern der DDR ein Dorn im Auge. Denn mit der Bildungsarbeit stelle die BRD die staatliche Integrität der DDR in Frage. So die Auffassung im Osten. Die Folge: die SED übertrug ihrer Geheimpolizei die Aufgabe, möglichst viele Belege für den vermeintlich konterrevolutionären Charakter zu sammeln und die Arbeit der westdeutschen Grenzinformationsstellen zu behindern.

In Unterlagen der Stasi findet sich diesbezüglich ein Auftrag vom 27. Juli 1967 an den Geheimen Mitarbeiter (GM) „Georg Kelmer“: „An einem Wochenende hat er die Informationsstelle in der Ortschaft Breitensee Kreis Königshofen aufzusuchen. Dabei hat er Folgendes über das Objekt festzustellen: Lage des Objekts; welche Personen sind für das Objekt verantwortlich; wer führt die Einweisungen durch; gibt es festgelegte Öffnungszeiten; mit welchen Materialien und Fotos ist die Informationsstelle ausgestaltet; werden Prospekte verteilt, wenn ja, Erwerb eines solchen.“ 

Um zusätzliche Informationen zusammenzutragen, entsandte das MfS immer wieder inoffizielle Quellen zur Grenzinformationsstelle Breitensee. Eine davon erarbeitete auch einen Bericht, der über die innere Gestaltung Auskunft gab: „Nach Betreten des Objekts kommt man zunächst links in einen Raum, wo die Verfassung und das Passgesetz der DDR ausgestellt sind. Darüber steht mit großen Lettern: ‚Scheinverfassung der DDR‘. Weiterhin sind in diesem Raum Materialien über die gegenüberliegenden Ortschaften wie Eicha, Gleichamberg, Römhild und Hildburghausen vorhanden und ausgelegt. Gegenüber diesem Raum […] ist eine Ausstellung über den Grenzverlauf, die Grenzsperre und dergleichen zu sehen. In diesem Raum befinden sich weiterhin zwei Puppen, die mit Uniformen der NVA bekleidet sind.“ 

Eröffnungsbericht zum Anlegen der Feindobjektakte "Thüringenblick" Signatur: BArch, MfS, BV Suhl, AFO, Nr. 2/89, Bl. 7-14 © Stasi Unterlagen-Archiv

 

In der gleichen Akte schreibt „die Quelle“ resümierend zur Aufgabe der Grenzinformationsstellen: „Die Hauptaufgabe der "Informationsstelle" ist darauf gerichtet, alle an die Staatsgrenze herangeführten BRD-Bürger im Sinne der CDU/CSU-Politik und des Revanchismus zu beeinflussen, sie gegen die Staatsgrenze und deren Souveränität aufzuwiegeln und sie zu feindlich-negativen Handlungen gegen diese zu veranlassen. Im Mittelpunkt steht dabei die Erzeugung von Gedankengut, das auf die Abschaffung der bestehenden Staatsgrenze und die Herbeiführung der Wiedervereinigung gerichtet ist. Weiterhin werden BRD-Bürger durch das Vertrautmachen mit aktuellem Bildmaterial über touristische Zentren der DDR zum Besuch der DDR angeregt und auf dieser Basis zur Schaffung von Kontakten und Verbindungen zu DDR-Bürgern inspiriert.“

Die wenigen Versuche, die Aktivitäten der Institutionen in irgendeiner Art und Weise zu behindern, schlugen jedoch allesamt fehl. Ziemlich ernüchtert verfügte ein Offizier der KD Hildburghausen im Februar 1989 den Vorgang resümierend, dass „von den vier Objekten [im Bereich Hildburghausen, wozu neben Breitensee und Dürrenried auch die Aussichtstürme "Bayernturm" bei Sternberg/Zimmerau und die "Henneberger Warte" bei Bad Rodach zählten; Anm. d. R.] keine Hinweise auf eine direkte feindliche Tätigkeit gegenüber der DDR ausgingen“.

Ein junger Besucher vor dem Modell der Grenzanlagen in der Grenzinformationsstelle in Breitensee © Reinhold Albert

 

Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung 1989/90 verloren die Grenzinformationsstellen ihre bildungspolitische Daseinsberechtigung. Auch das Wirken des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen und das ihm unterstehende Gesamtdeutsche Institut wurde mit dem Hissen der Bundesflagge auf dem Berliner Reichstag in der Nacht vom 2. zum 3. Oktober 1990 gegenstandslos, die Behörde 1991 aufgelöst. Privaten Initiativen und lokalen Bündnissen ist es zu verdanken, dass zahlreiche Grenzinformationsstellen ihren Weg als Begegnungsstätten, Grenz- und Freilandmuseen oder Mahn- und Gedenkorte in das vereinte Deutschland fanden. Die Grenzinformationsstelle in Breitensee wurde jedoch vollständig aufgelöst. Das alte Schulhaus befindet sich heute im Privatbesitz.

Eine alte Postkarte von der „Zonengrenze Breitensee“ © Reinhold Albert

 

EDIT: Vielen Dank an dieser Stelle von den Autoren an das Stasi-Unterlagen-Archiv für die freundliche Bereitstellung der Originalunterlagen und des Bildmaterials. Wer die vollständigen Akten zur ehemaligen Grenzinformationsstelle Breitensee einsehen möchte, findet diese auf den Websiten des Stasi-Unterlagen-Archivs oder der „Stasi Mediathek“, einem Angebot des Deutschen Bundesarchivs. 

Die nächste und letzte Station auf unserer geschichtsreichen Tour durch das Grabfeld findet sich in knapp 5 Kilometern in Trappstadt. Einem Dorf mit einer spannenden Besitzer-Historie!

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