Zeitensprünge Station 04: Innerdeutsche Teilung

Gleismuthausen, 96145 Seßlach

Station 04: 
Innerdeutsche Teilung

 

Bisher sind wir auf dieser Route ja eher durch die etwas weiter zurückliegende Vergangenheit gereist. Vom mittelalterlichen Seßlach springen wir nun aber in die eher jüngere Vergangenheit: Die Zeit der innerdeutschen Teilung. Eine Epoche, die hier am Dreiländereck zwischen Thüringen, Ober- und Unterfranken, nicht nur Spuren in der Landschaft hinterlassen hat. Zunächst aber noch einmal einige Fakten zur Innerdeutschen Teilung. 

Relikte der ehemaligen innerdeutschen Grenze: der Grenzturm bei Gombertshausen © Ralf Schanze

 

Die Innerdeutsche Teilung

Nach Ende des zweiten Weltkrieges 1945 teilten die Siegermächte Deutschland in vier Besatzungszonen auf. Die Demarkationslinien zwischen den westlichen Besatzungszonen der USA, Großbritanniens und Frankreichs wurden bald aufgehoben. Daher bezog sich der Begriff Zonengrenze im Grunde nur noch auf die Grenze zwischen den westlichen Besatzungszonen (Westdeutschland) und der Sowjetischen Besatzungszone (Ostdeutschland). Der Name deutsch-deutsche Grenze wurde aber 1949 mit der Gründung der beiden deutschen Staaten (BRD, DDR) amtlich. Er hat sich aber nie durchgesetzt. Im allgemeinen Sprachgebrauch wurde weiterhin von der Zonengrenze oder von der Innerdeutschen Grenze gesprochen.

Zonenrandgebiet der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1949 und 1990. Zusätzlich sind die Grenzen der Bundesländer der BRD und Bezirke der DDR eingezeichnet. Quelle:  Kleiner Stampfi 2018 | CC-BY-SA-3.0

Die Grenzbefestigung zur Bundesrepublik wurde 1952 von der DDR veranlasst und durch die „Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und den westlichen Besatzungszonen" vom 26. Mai 1952 untermauert. 

In der Folge wurde entlang der 1.400 km langen „Demarkationslinie“ eine Grenze mit einem 10 Meter breiten Kontrollstreifen geschaffen, der am Westrand mit einem Stacheldrahtzaun gesichert wurde. Ein zusätzlicher Schutzstreifen in östliche Richtung betrug 500 Meter. Der gesamte östliche Bereich innerhalb von 5 Kilometer ab der Grenze wurde zur Sperrzone deklariert. 

Bild der Grenze von 1952 © Reinhold Albert

 

Ab 1961 wurde die Grenze dann teilweise vermint und mit Signalzäunen ausgerüstet. Zwischen 1970-1983 wurden Teile der Grenze mit Selbstschussanlagen auf Seiten der DDR ausgestattet. Ab Anfang der 1980er Jahre existierten schließlich ca. 1.000 Beobachtungstürme, ca. 900 km Grenzzaun, ca. 600 km Kfz-Sperrgräben dazu auf ca. 450 km die genannten Selbstschussanlagen und ca. 250 km Minenfelder an der ca. 1.400 Kilometer langen Grenze. Der offizielle Titel der Grenze wurde in der DDR mit Staatsgrenze West festgelegt. Die Grenze wurde offiziell also als ganz normale Staatsgrenze bezeichnet. Das Ziel, das die DDR mit der Grenze verfolgte, war aber nicht die Abgrenzung zum „Klassenfeind“, sondern vielmehr und hauptsächlich der Verhinderung einer Massenflucht der eigenen Bevölkerung in den Westen. Gleichzeitig sicherte die Grenze den „guten“ sozialistischen Ostens vom „bösen“ kapitalistischen und „faschistischen“ Westen und der damit einhergehenden Abgrenzung zwei verschiedener Gesellschaftsordnungen. Damit teilte sie aber nicht nur Deutschland in zwei Hälften sondern im Grunde die gesamte Welt den marktwirtschaftlich orientierten demokratischen Staaten im Westen und den planwirtschaftlich geleiteten, realsozialistischen Diktaturen im Osten. Die innerdeutsche Grenze wurde damit zum grotesken und grausamen Symbol des Eisernen Vorhangs, der von der Barentssee im Norden Finnlands bis zum Schwarzen Meer reichte.   

Flugblatt zur Vorsicht an der Demarkationslinie von 1971 © Reinhold Albert

Der Platz der Dankbarkeit

Die Männerwallfahrt Bad Königshofen am Platz der Dankbarkeit © Ansgar Büttner 2022

 

Genau an dem Ort an dem sie jetzt stehen, dem Platz der Dankbarkeit, ereignete sich eben auch eine dieser Geschichten, die die Folgen der innerdeutschen Teilung für Land und Leute auf eine berührende Art und Weise verdeutlichen. Doch dazu müssen wir kurz ein wenig ausholen: 

Bereits in den 80er und 90er Jahren des 19. Jahrhunderts fanden Wallfahrten von Bad Königshofen nach Vierzehnheiligen statt. Die erste große Kriegerwallfahrt wallte im Jahre 1920 nach den Schrecken des 1. Weltkrieges, worüber in der Chronik von Vierzehnheiligen berichtet wird: “Es war ein imposanter Anblick, als im Frühjahr 1920 die Krieger von Königshofen im Grabfeld, über 200 an der Zahl, unter den Klängen der Musikkapelle ihren Einzug in der Basilika hielten. Lauter stämmige Männer in feldgrau.”

Der eigentliche Aufschwung dieser Wallfahrt begann dann aber erst nach dem 2. Weltkrieg. Zum Dank für Gottes Hilfe und die Heimkehr aus dem Krieg und aus der Gefangenschaft wurde eine Heimkehrerwallfahrt nach Vierzehnheiligen und zu den 14 Nothelfern durchgeführt. 

Regenbogen über Kloster Banz. Ein Zeichen der Dankbarkeit für die Strapazen der Wallfahrt? © Ansgar Büttner 2022

 

Traditionell wählte man für die Wallfahrt dabei den direktesten Weg zwischen Bad Königshofen und Bad Staffelstein. Dieser führte aber eben auch auf wenigen Kilometern durch den südlichsten Zipfel Thüringens rund um Heldburg. Während der innerdeutschen Teilung war das aber nicht möglich, weshalb ein Umweg über Maroldsweisach in Kauf genommen werden musste. Bei einer ohnehin schon 60 Kilometer langen Strecke wurde das natürlich nur zähneknirschend in Kauf genommen. 

Im Frühsommer des Jahres 1990 sollte die Männerwallfahrt dann erstmals wieder über Thüringer Territorium führen. Zu diesem Zeitpunkt war die Mauer zwar schon gefallen, aber die DDR bestand noch immer als eigenständiger Staat. Auf dem Hinweg konnte die Wallfahrt die Grenze, genau hier an dieser Stelle durch ein offenes Tor im Grenzzaun, überschreiten. Als die Wallfahrer allerdings auf dem Rückweg wieder durch das gleiche Tor zurück gehen und die Grenze nach Bayern überschreiten wollten, war das Tor verschlossen. Grenzbeamte der DDR hatten es offenbar in der Zwischenzeit verschlossen und die Wallfahrer in Thüringen „eingesperrt“. 

Kurzerhand verschafften sich die Wallfahrer daraufhin aber einen Durchgang – sehr zum Verdruss der Grenzbeamten. Der Wallfahrtspfarrer Josef Treutlein kommentierte die Szenerie dabei mit den Worten: „Christus hat noch viel größere Schranken überwunden!“. 

Der Wallfahrtszug überquert die ehemalige innerdeutsche Grenze © Ansgar Büttner 2022

 

Zum Dank für die friedliche Wiedervereinigung und in Erinnerung an diese bemerkenswerte Geschichte wurde im Jahr 2015 schließlich dieses Kreuz von der Männerwallfahrt von Bad Königshofen errichtet. 

Mehr Informationen zur Wallfahrt Bad Königshofen – Vierzehnheiligen finden Sie unter www.maennerwallfahrt.de 

 

Dreiländereck Thüringen, Ober- und Unterfranken

Nur wenige hundert Meter vom aktuellen Standort entfernt, befindet sich übrigens noch ein spannender Ort: Das Dreiländereck an dem Thüringen, Ober- und Unterfranken aufeinandertreffen. Dort gibt es nicht nur einen Gedenkstein, sondern auch die Relikte der ehemaligen Grenze wie den Kolonnenweg und das Grüne Band zu sehen.  

Eigene Darstellung basierend auf Kartenausschnitt von Open Street Map OSM

 

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Entdecken, Innehalten und Erinnern!

 

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