Die Geschichte des Rennwegs in den Haßbergen
Im kleinen fränkischen Ort Dörfleins, der im Mittelalter eine bedeutsame Rolle spielte, da hier die Grenze zwischen den Bistümern Bamberg und Würzburg verlief und ein Übergang über den Main bestand, beginnt der Weg und läuft in nordwestlicher Richtung bis zu den letzten nordwestlichen Ausläufern der Haßberge weiter. So erstreckt sich der Rennweg vom Bamberger Kessel bis zum Grabfeldgau.
Nach Aussage der Historiker gibt es in Deutschland etwa 220 Rennwege. Mancherorts werden sie auch Rennstieg, Rennsteige oder Rennleite genannt. Ludwig Hertel wies 1896 nach, dass Rennweg nicht von “Rain” (im Sinne von Grenze) sondern von “rennen” kommt. Rennen bedeutet hier auch “ein Roß reiten”.
In der ältesten Königsberger Chronik, verfaßt von Johann Werner Krauß, Diaconus in Königsberg (1677 - 1732), findet sich folgende Aufzeichnung:
„Der Rennsteig oder Rennweg, welcher bei Nassach über den Haßberg gehet, allenthalben verraint (markiert) und versteint (mit Grenzsteinen versehen), ist ein Überbleibsel von der Viis militaribus (Vie = Weg oder Straße, militaris = Heer), da man beim Einfall der Feinde, als der Hunnen etc. durch reitende Boten einander Nachricht gegeben hat. Er ziehet sich auf den höchsten Wald eines Teils gegen Böhmen zu, andern Teils gegen Hessen und Wetterau hin, ist auf beiden Seiten versteint, gehet auf der Höhe fort, so daß die Passage (der Durchgang) bei anschwellenden Wassern durch keinen Fluß gehindert wird.“
Auch der Chronist Sloger erwähnt in seiner Chronik 1894 den Rennweg.
“Von Fulda führte bis Bamberg eine uralte Straße. Von Königshofen herkommend, erstieg sie bei der Wildburg die Haßberge und lief auf dem Kamm derselben oberhalb Königsberg hin nach Köslau, hierauf zwischen Kirchlauter und Neubrunn fort durch den Stettfelder Wald nach Dörfleins, von wo sie über eine erst im 30-jährigen Krieg zerstörte Brücke bei Hallstadt nach Bamberg gelangte.”
Einen wichtigen Beitrag zur Frage, was wohl die ursprüngliche Bestimmung der Rennwege war, leistete in der 6. Ausgabe der Zeitschrift “Frankenland” aus dem Jahr 1954 Dr. Julius Kober, der als Sachkundiger verschiedene Deutungen und Theorien überprüfte. Nach ihm waren Rennwege ursprünglich: Verbindungswege zwischen zwei oder mehreren Punkten, auf denen die Boten oder Kuriere zu Fuß oder zu Pferd Nachrichten für friedliche oder kriegerische Zwecke überbrachten. Was spricht für diese Behauptung?
1. Rennwege führen meist durch den Wald, um den reitenden Boten zu verdecken
2. Rennwege führen zumeist über den Kamm oder an Hängen entlang, um bei Schlechtwetterperioden stets begehbar zu sein
3. Rennwege bevorzugen immer die kürzeste Verbindung, um eine möglichst rasche Nachrichtenübermittlung zu gewährleisten
4. Rennwege vermeiden menschliche Siedlungen,um ein Verweilen und Ausplaudern des Eilboten zu verhüten
5. Rennwege gehen von wichtigen Punkten aus und enden wieder bei solchen
6. Fast bei allen der über 200 bekannten und bisher registrierten Rennwegen treffen diese Bedingungen zu
Für die Überbringung von Nachrichten war schon immer entscheidend: Nachrichten müssen sicher, geheim und schnell übermittelt werden. Diesen Erfordernissen trugen die Rennwege Rechnung. Zum Rennweg in den Haßbergen sagt er: „Er ist Teil eines ausgesprochenen Höhenweges von Bamberg bis Bischofsheim, der anfangs den Namen Hochstraße und später die Bezeichnung Rennweg trägt. Vermutlich findet sich ostwärts von Bamberg die Fortsetzung.“
Zur Zeit Karls des Großen und Heinrich des I. waren die Haßberge im Großen und Ganzen die Volkstumsgrenze zwischen dem westlich gelegenen Grenzland des Frankenreiches und den östlich von Slaven und Wenden besiedelten Gebieten. Zum Schutz des Reiches ließ Heinrich der I. auf den Haßberghöhen eine lückenlose Burgenkette anlegen, um einfallenden Hunnen das Vordringen zu erschweren und den Bewohnern auf dem freien Land eine Zuflucht zu schenken. Diese Burgenreihe begann bei der Wildburg im Norden und erstreckte sich bis zur Bischofsheimer Veste im Süden. Mit Recht nennt man das Haßgaugebiet das Land der Burgen und Ruinen. Von je her war man darauf bedacht, mit den Nachbarburgen in ständigem Kontakt zu bleiben (z.B. durch Rauchzeichen, Feuerzeichen...), um bei feindlichen Übergriffen zu alarmieren oder um Hilfe zu bitten. Längere Botschaften wurden durch Meldereiter von Burg zu Burg gebracht. Bei den undurchdringlichen, oft urwaldähnlichen Wäldern, erwies sich der Rennweg als vorzüglicher Reitpfad.
Genau parallel zur Kette der Fliehburgen verlief die Kaiserstraße (Reiseroute der fränkischen Könige und Kaiser), die am westlichen Fuße der Haßberge entlangführte. Nachdem die Herrschaften möglichst rasch ans Reiseziel kommen wollten, ist nicht auszuschließen, dass die Könige auf ihrem Weg den Haßgau kreuzten.
Es wird angenommen, dass zum Beispiel Karl der Große sein Land selbst inspizierte und mit großem Tross von Königshof (Absteigequartier des Königs) zu Königshof ritt und dabei auch den Rennweg benutzte. Nach der Überlieferung sind diese Höfe so angelegt worden, dass man sie zu Pferd in einem Tagesritt erreichen kann. In den Gebieten Happertshausen, Hofheim, Königsberg und Wettringen befanden sich einst solche Königshöfe. Nach den Forschungen von Studienprofessor C. Scherzer, Nürnberg, sollen weitere Kaiserstraßen in der Haßgauniederung und im Maintal existiert haben.
Nach der neuzeitlichen Geschichtsforschung sind die zwischen 600 und 800 n. Chr. erbauten Königshöfe im Reich Karls des Großen und seiner Nachfolger in großer Zahl entstanden.
Durch eine überlieferte Anweisung von Karl dem Großen können wir uns ein Bild von der Entstehung und dem Aussehen dieser Höfe machen. Der Königshof umfasste Wohnhäuser mit Küche, Backhaus, Viehställe, Speicher und Garten. Im Mittelpunkt stand das Wohnhaus für den König, massiv aus Stein erbaut. Um die ganze Anlage lief ein Erdwall mit aufgesetzter Dornhecke oder mit einem Flechtzaun als Brustwehr. Der vorliegende Graben war als Spitzgraben (in der Mitte am tiefsten) angelegt. An den vier Ecken der rechteckigen Anlage standen Türme. Zwei Tore verengten sich von außen nach innen. Auch ein Brunnen war vorhanden. Die Franken orientierten sich bei der Anlage dieser Höfe an den keltischen „Meierhöfen“, die überall in Süd- und Westdeutschland zu finden waren. Die Königshöfe waren zugleich auch die ersten Missionsstationen. Deshalb wurden an diesen Stätten zur Christianisierung der Bevölkerung Kirchen und Kapellen gebaut.
Der Rennweg diente im Lauf seiner langen Geschichte vielfältigen Zwecken: Tiere benutzten ihn als Wildwechsel, Siedlerfamilien wanderten mit Karren und Wagen von Nord nach Süd, Heerhaufen zogen auf ihm dahin, Bauern verwendeten ihn zur Holzabfuhr, Weinfuhren kreuzten ihn und deutsche Soldaten flüchteten in den letzten Kriegstagen vor den Amerikanern.